Geschichte Mittelsinns
Zur Zeit zählt die Kirchengemeinde knapp 800 Gemeindeglieder, von denen der Großteil in Mittelsinn, der Rest in Obersinn und Aura wohnen.
Mittelsinn wird erstmals 1275 urkundlich erwähnt. Wie aus den Urkunden zu ersehen ist, war Mittelsinn nie in einer Hand, immer teilten sich mehrere Herren die Macht im Ort.
Nach und nach erwarben die von Thüngen und die von Hutten alle Anteile von Mittelsinn und damit kam Mitte des 15. Jahrhunderts das „Vierherrschaftliche Verhältnis" auf. Die von Thüngen hatten sich in die Andreassche und Lutzsche Linie geteilt, die von Hutten in die Altengronauer und Steckelberger Linie. Diese Vierherrschaft, auch Kondominat genannt, betraf nicht nur Mittelsinn, sondern schloss auch Obersinn und Aura mit ein.
Mittelsinn war der Sitz des Gerichts und wurde deshalb auch oft „Cent Mittelsinn" genannt.
Die Einführung der Reformation ist aller Wahrscheinlichkeit nach durch die von Thüngen betrieben worden. Am 19. September 1564 kamen die von Thüngenschen Pfarrer in Gräfendorf zusammen, um über die lutherischen Bräuche des Gottesdienstes und Gemeindelebens zu beraten. Auf Grund des Augsburger Religionsfriedens von 1555 stand dem Landesherrn die Einführung seiner Religion zu. Es galt also der Grundsatz: Wie der Herr, so seine Untertanen.
Über die Ereignisse des 30-jährigen Krieges gibt es hier keine Aufzeichnungen, aber vermutlich stammt der „Verlobte Tag" aus jeher Zeit. Damals wütete in Mittelsinn eine schlimme Seuche und unsere Vorfahren gelobten, einen Tag zu fasten, wenn Gott dem Sterben ein Ende machte. So wurde bis in die jüngste Vergangenheit der 25. September jeden Jahres als „Verlobter Tag" begangen. Am Morgen dieses Tages fand ein Gottesdienst statt, erst danach durften Mensch und Vieh etwas essen. Heute wird der „Verlobte Tag" noch mit einer Abendandacht begangen.
Im Laufe der Zeit änderten sich die Besitzverhältnisse von Mittelsinn immer wieder. Der Huttische Teil ging an Frohnhofen und Hessen, der Thüngensche Besitz gelangte an das Julius-Spital und an das Hochstift Würzburg.
Die Würzburger versuchten nun mit allen Mitteln ihre Untertanen zum katholischen Glauben zurückzuführen, aber die Mittelsinner leisteten erbitterten Widerstand. Damit begannen die konfessionellen Streitigkeiten, die sich von 1660 bis 1671 hinzogen. Maßgeblich daran beteiligt waren der in Gemünden tätige Würzburger Oberbeamte Ludwig sowie ein Mann namens Pater Marcus, der zum Zwecke der Gegenreformation in Burgsinn arbeitete. Zentrale Punkte der Auseinandersetzungen waren die Kirchen in Mittel-und Obersinn und Aura, die Besetzung der Schul- und Pfarrstellen mit katholischen oder evangelischen Lehrern und Pfarrern sowie widerrechtliche Vornahmen von Trauungen und Taufen. Nach jahrelanger Fehde beschlossen die Centherren, die Streitigkeiten zu beenden. Vom 15. bis 25. Mai 1671 trafen sich die Vertreter von Hessen-Cassel, Hochstift, Julius-Spital und Frohnhofen zu einem Einigungsgespräch in Hammelburg. Der Vertrag, auch „Hammelburger Receß« genannt, beinhaltet Folgendes:
Die Mittelsinner Kirche bleibt allein den Protestanten vorbehalten. Dagegen sollen die Kirchen in Aura und in Obersinn den Katholiken vorbehalten sein. Die Protestanten haben aber das Recht, in beiden Kirchen an bestimmten Tagen Gottesdienst zu halten.
Von 1810 bis 1830 gehörte Mittelsinn zum Großherzogtum Frankfurt. Nach dessen Auflösung bekam Hessen wieder seinen Anteil zurück, die Würzburger Anteile erhielt das zum Königreich aufgestiegene Bayern. Das Kondominat war also wiederhergestellt, diesmal zwischen Hessen und Bayern. Jetzt stand der Gemeinde ein bayerischer und ein hessischer Bürgermeister nebst Gemeinderäten vor. Jahrelang liefen Ausgleichsverhandlungen über die Auflösung des Kondominats. Tauschobjekt sollte Zündersbach sein. 1860 kam dann ein Vertrag zustande, der am 1. Dezember 1863 in Kraft trat. Zündersbach wurde hessisch, Mittelsinn bayerisch. Damit endete das Kondominat. Heute sind Aura, Mittelsinn und Obersinn der Verwaltungsgemeinschaft Burgsinn angeschlossen.
Gemeindegebiet
Die Kirchengemeinde Mittelsinn ist eine der wenigen im Dekanat Lohr, die hauptsächlich evangelisch geprägt sind. Zum Hauptort Mittelsinn gehören noch die Ortschaften Obersinn, Aura, Deutelbach und Emmerichsthal zum Gebiet der Kirchengemeinde.
Kirche
Die Mittelsinner Kirche, Jakobus und Nikolaus geweiht, war ursprünglich eine Filialkirche von Burgsinn. Auf Veranlassung des Dietz von Thüngen wurde sie am 30. August 1413 durch Bischof Johann von Würzburg zur eigenen Pfarrei erhoben und von Burgsinn unabhängig. Am Gründonnerstag und an den Bitttagen sollte die neue Pfarrgemeinde eine Wallfahrt zur Mutterkirche nach Burgsinn machen. Dieser Brauch wurde jedoch später nicht mehr gepflegt.
Der älteste Teil der Kirche ist der Turmunterbau. Er stammt aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts.
Der Turm, ein so genannter Echterturm, wurde 1599 erhöht und erneuert, wie auf einer Tafel im Glockenturm zu lesen ist. Zwei Glocken hingen von alters her im Turm. Auf der größeren steht: Lucas + Marcus + Johannes + Mateus + Osanna + Maria - ohne Jahreszahl.
Die kleine Glocke musste 1942 für Kriegszwecke abgeliefert werden. Auf ihr stand: 1630 hat eine christliche Gemeinde diese Glocken zur Ehre Gottes gießen lassen. Umgegossen 1873 von Klauß und Söhne Heidingsfeld.
1950 ließ die Gemeinde eine zweite Glocke gießen und 1960 kam eine dritte hinzu. Bei dieser Gelegenheit wurde der Glockenturm erneuert und das Läutwerk elektrifiziert.
Der Taufstein trägt die Jahreszahl 1622. Von 1732 bis 1734 fand ein Umbau des Langschiffes statt, der einem Neubau gleichkam. Die alte Sakristei wurde 1752 gebaut.
Die hintere Tür (gegenüber vom Haupteingang) war früher der separate Eingang der Herrschaften von Hutten. Ihnen gehörte das so genannte Hofgut, bestehend aus Wohnhaus (jetzt Gemeindehaus), Zehntscheune und Schäferhaus. Eine Treppe führte vom Hof hinter dem jetzigen Schulplatz direkt auf den Kirchplatz.
Auch in der Kirche besaßen die Herrschaften ihren eigenen „Stuhl". Es war die letzte, etwas erhöhte Bank unter der hinteren Empore. Eine Holzvergitterung mit Tür umschloss die Bank. Bei der Renovierung 1893 wurde das Gitter entfernt. Nachdem die von Hutten ihren Anteil an Mittelsinn nebst Hofgut an die Landgräfin von Hessen verkauft hatten, wurde das Gut dann als hessisches Hofgut oder Domänengut bezeichnet.
Um die Kirche lag ursprünglich der Friedhof. Im Laufe der Zeit reicht der Platz nicht mehr aus und die Gemeinde musste 1860 einen neuen Friedhof anlegen.
Als im Rahmen der Innenrenovierung im Jahr 2000 der angemoderte Dielenfußboden des Kirchenschiffs herausgerissen wurde, tauchten alte Grabsteine auf.
Diese lagen überwiegend unter den schweren Stützpfosten der Empore und dienten als Fundament für das Trägergebalk. Mit harter Arbeit setzten sich viele fleißige Helfer bei der Innenrenovierung unter der Anleitung des Vertrauensmannes des Kirchenvorstandes Herrn Werner Henning ein, um die Kosten der Kirchenerneuerung um über 50 000 DM zu senken.
Die Gesamtkosten der Renovierung der Jakobuskirche betrugen etwa 1 250 000 DM. Auf Antrag des Kirchenvorstandes wurde bereits 1996 mit den Arbeiten begonnen und zunächst die Außenrenovierung und der Neubau der Sakristei abgeschlossen. Nach einer längeren Pause konnte im Jahr 2000 der letzte Bauabschnitt, die Innenrenovierung, begonnen und abgeschlossen werden. Am 3. Dezember 2000 wurde die Kirche feierlich von Dekan Michael Wehrwein wieder eingeweiht. Aus der Kirche im Dekanat, die baulich im schlechtesten Zustand war, wurde ein wahres Schmuckstück, das zu besuchen lohnt und das von der Mittelsinner Mesnerin liebevoll gepflegt wird.
Die Orgel
Das Schmuckstück der Kirche in Mittelsinn ist die Orgel. Sie stammt aus dem Jahr 1758. 1837 und 1838 musste der größte Teil des Pfeifenwerkes erneuert werden und von 1981 bis 1982 wurde sie total restauriert. Der Kronleuchter entstand zwischen 1930 und 1935 unter der Leitung von Lehrer Mangold und der Mithilfe mehrerer Mittelsinner Einwohner. Die Orgel wird durch ein filigranes Rokokomuschelwerk in Flachschnitzerei eingerahmt, das wohl um 1750 geschaffen wurde. Im Jahr 2020 wurde die Orgel renoviert.
aus dem Buch „Evangelisch zwischen Spessart und Rhön“ des Dekanates Lohr von 2003, verfasst von Hildegard Krämer und Pfarrer Gunnar Zwing